Dr.-Ing. Wilfried Paul Stiller

Studieren ohne Abitur? Prof. Dr.-Ing. Wilfried Paul Stiller hat bewiesen, dass ein Abitur für einen akademischen Werdegang nicht notwendig ist. Nach seinem Realschulabschluss absolvierte er eine Berufsausbildung als Werkzeugmacher bei VW Nutzfahrzeuge in Hannover. Ein Studium war nach dem erfolgreichen Abschluss für Wilfried Stiller eine naheliegende Option. Von 1971 bis 1974 studierte er an der Hochschule Hannover (HsH) – damals noch Ingenieurakademie Hannover –Maschinenbau/Apparatebau. Ein zweites Studium im Fach Maschinenbau/Verfahrenstechnik an der heutigen Leibniz Universität Hannover folgte. Dort promivierte er 1982 im Institut für Verfahrenstechnik.

Nach 13 Jahren in der Industrie führte der Weg Wilfried Stiller zurück an die HsH. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2018 hatte er eine Professur in der Fakultät II – Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik im Studiengang Verfahrens-, Energie- und Umwelttechnik inne. Bei seiner Lehrtätigkeit hat es ihm sehr geholfen, dass er anfangs einen ähnlichen Werdegang hatte wie die Studierenden der HsH, berichtet der Professor aus dem Ruhestand.

„Die Tätigkeit als Hochschullehrer war extrem abwechslungsreich. Es hat mir große Freude gemacht, mit jungen Menschen zu arbeiten, sie fachlich zu qualifizieren und auf den Ingenieurberuf vorzubereiten“, erzählt Wilfried Stiller. Auch Studierende für ein Auslandssemester zu motivieren, gehörte zu einer seiner besonderen Aufgaben. Für den pensionierten Professor war es stets faszinierend zu sehen, wie positiv sich die Studierenden nach einem Auslandsaufenthalt fachlich und persönlich entwickelt hatten. Zudem waren die vielfältigen Kooperationen mit der Industrie und besonders mit internationalen Hochschulen für ihn sehr wertvoll.

Im Interview berichtet Wilfried Stiller von der Entscheidung, zu studieren, dem Weg zum Professor und teilt eine lustige Anekdote aus dem Studium.

Interview

Warum hast du dich für die Hochschule Hannover und den Studiengang entschieden?
Nach meiner Berufsausbildung als Werkzeugmacher war ein Maschinenbau-Studium an der damaligen Ingenieurakademie die naheliegende Option. Nach dem dritten Semester entschied ich mich für die Vertiefungsrichtung Verfahrenstechnik/Apparatebau wegen der vielfältigen Bereiche, in denen man später tätig sein kann.

Was hat das Studium für dich bedeutet, was hast du mitgenommen für dich persönlich und für deinen Beruf?
Zunächst war ich sehr stolz, nach meinem schulischen Werdegang (Realschulabschluss und Werkzeugmacher-Lehre) Maschinenbau-Student zu sein. Das Studium fiel mir nicht schwer, so dass ich nebenbei meinen Sport betreiben konnte. Wir haben in Lerngruppen erfolgreich gelernt und anschließend gemeinsam gefeiert. Das hat mir gezeigt, dass man im Team sehr erfolgreich sein kann.

Was wünschst du der Hochschule Hannover für die nächsten 50 Jahre?
Die Hochschule Hannover bietet durch ihre fünf Fakultäten ein riesiges Potenzial an fachlicher Breite und Kompetenz. Ich wünsche der HsH, dass die Studierenden und Lehrenden sich stärker vernetzen und ihre Zukunftsfähigkeit durch gemeinsame Projekte stärken. Aus meiner Sicht als ehemaliger Professor der Fakultät II – Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik könnte ich mir gemeinsame Projekte insbesondere in den Bereichen Design, Wirtschaft, Marketing vorstellen – zum Beispiel würde sich dafür das Bierbrau-Projekt anbieten. Aber auch mit den anderen Fakultäten gibt es sicher hervorragende Möglichkeiten.
Außerdem hoffe ich, dass der internationale Austausch, der ja durch die Corona-Pandemie sehr gelitten hat, wieder das frühere Niveau erreicht und sich weiter positiv entwickelt.

Wie bist du zu deinem jetzigen Beruf gekommen?
Teilweise durch zufällige Begebenheiten. Da ich nach dem Abschluss an der Ingenieurakademie (die zwischenzeitlich zur Fachhochschule Hannover wurde) mit 21 Jahren noch sehr jung war und ich mich im Grunde noch nicht reif für das Berufsleben gefühlt habe, begann ich anschließend ein Verfahrenstechnik-Studium an der Universität Hannover und arbeitete nebenher im Institut für Verfahrenstechnik als studentische Hilfskraft. Zum Abschluss meines Studiums wurde gerade ein wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Bearbeitung eines Forschungsprojektes gesucht. Ich habe glücklicherweise diesen Job bekommen und konnte dort promovieren. In der anschließenden 13-jährigen Industrietätigkeit habe ich viele fachliche und persönliche Erfahrungen gesammelt, Diplomarbeiten betreut und nebenher Gast-Vorlesungen an der Uni Hannover gehalten. Zufällig entdeckte ich in den VDI-Nachrichten, dass an der ehemaligen FH Hannover eine Professur besetzt werden sollte, deren Anforderungsprofil exakt auf meinen Lebenslauf passte. So wurde ich 1996 zum Professor berufen und hatte im Laufe der Jahre sogar noch das Glück, der Nachfolger von meinem sehr geschätzten damaligen Hochschullehrer Prof. Dr. Wolfgang Küster als Leiter des Verfahrenstechnik-Labors der heutigen HsH zu werden.

Gibt es eine lustige bzw. menschliche Anekdote aus dem Studium, die du teilen möchtest?
Ich erinnere mich an eine lustige Begebenheit. Wir hatten Verfahrenstechnik-Vorlesung und auf der Straße fanden Bauarbeiten statt. Insbesondere eine lautstarke Dieselramme störte sehr. Ein Kommilitone konnte eine einfache Frage des Professors nicht beantworten, worauf dieser bemerkte, dass die Frage so leicht zu beantworten sei, dass dies auch der Mann an der Ramme beantworten könne.
Am nächsten Tag saß in der Vorlesung ein Mann im blauen Arbeitsanzug in der ersten Reihe. Prof K. fragte erstaunt, wer der neue Student sei – darauf alle in Chor: Das ist der Mann von der Ramme (er hatte sich für ein kleines Bestechungsgeld bereit erklärt, den Spaß mitzumachen).