Integrierte Schreibdidaktik

Integrierte Schreibdidaktik hat das Ziel, die Weiterentwicklung von Schreibfähigkeiten dort zu fördern, wo geschrieben wird. 

Dazu werden fachliche Arbeits-, Denk- und Kommunikationstechniken durch Erklärungen bewusst gemacht, durch wiederholte Anwendung auf Fachwissen geübt und durch Rückmeldungen korrigiert und stabilisiert.

  • Modulintegrierte Maßnahmen können bspw. in Fachveranstaltungen durch die Zusammenarbeit von Fachlehrenden und Mitarbeiter*innen der Schreibwerkstatt entstehen (vgl. Weisberg 2016). Oft können durch die Zusammenarbeit der Arbeitsaufwand (z.B. die Korrekturlast) gesenkt und die Studienleistungen verbessert werden (vgl. das Praxisbeispiel im Labor Verfahrenstechnik des Studiengangs Verfahrens-, Energie- und Umwelttechnik; s.u.; vgl. Nadolny/Stiller/Weisberg 2018). 
  • Studiengangintegrierte Maßnahmen können aus curricular eingebundenen "Schreibkursen" bestehen (bspw. das Teilmodul Wissenschaftlich Schreiben und Präsentieren in Studiengängen der Fakultät Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik). Die spezifischen Erwerbsbedingungen von sicheren und anpassungsfähigen fachlichen Schreibkompetenzen legen jedoch die Organisation von modulübergreifenden Lernpfaden nahe, um einen längeren, reflexiven Übungsprozess anzuregen und zu begleiten (vgl. Weisberg 2017).  

Praxisbeispiel

Im Modul Grundlagen Verfahrenstechnik Labor des Studiengangs Verfahrens-, Energie und Umwelttechnik der Fakultät II führt die interdisziplinäre Zusammenarbeit sowohl zu einer Milderung der Heterogenität von Vorwissen und allgemeinen Schreibkompetenzen, als auch zu einer deutlichen Reduktion der Korrekturlast. Die Rückmeldungen der Studierenden zeigen eine hohen Akzeptanz und Wertschätzung (vgl. Nadolny/Stiller/Weisberg 2018).

In diesem Modul sind die auf die Versuchsberichte bezogenen Lernthemen und Anforderungen reduziert worden. Im Modulverlauf werden die Lerngruppen mit persönlichen Rückmeldungen zu drei aufeinanderfolgenden Laborberichten an die Lernziele herangeführt (vgl. Abbildung 1).

Die Abbildung zeigt die Lernfortschritte einer Studierendengruppe in sechs Anforderungsbereichen. Die Gruppe erreicht einzelne Lernziele (Sachlichkeit der Darstellung und Gestaltung der Kopfzeile gemäß Vorgaben) bereits im ersten Versuch. Für das Erreichen der Mehrheit der Lernziele (Gestaltung von Versuchsaufbau, Literaturverzeichnis, Deckblatt und Überschriften gemäß der Vorgaben) braucht die Gruppe jedoch mehrere Versuche. Die Regression im Bereich Überschriften zeigt, dass ein einmaliges Erfüllen von Anforderungen noch keine hinreichende Verfahrenssicherheit bedeutet.

Schlussfolgerungen

Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass die Entwicklung kompetenter Performanz (wenigstens in einigen Bereichen) neben der Transparenz der Anforderungen vor allem Wiederholungen und Rückmeldungen zum Lernstand erfordert, d.h.: eine reflexive Übungspraxis.

Um eine solche Praxis zu organisieren, sind u.E. modulübergreifende Abstimmungen notwendig. Solche Abstimmungen ermöglichen durch die Staffelung der Lernthemen eine Reduktion von Lern- und Korrekturlast in den einzelnen Modulen. Durch die Weitergabe von Lerninhalten und Prüfungskriterien wird eine kooperative, sukzessive Förderung von Kompetenzentwicklungsprozessen möglich (vgl. Abbildung 2, Nadolny/Stöhr/Weisberg im Druck, Weisberg 2017).

Abbildung 1: Verbesserungen in aufeinanderfolgenden Laborberichten: 1 = Ausgangsniveau, 2 = Verbessertes Niveau, 3 = Zielniveau. (Nadolny/Stiller/Weisberg 2018, 120)
Abbildung 2: Skizze für einen studiengangintegrierten, spiralförmigen Lernweg (Nadolny/Stöhr/Weisberg im Druck)

Veröffentlichungen

Nadolny, Anne/Stöhr, Monika/Weisberg (im Druck): Zusammenarbeit auf Augenhöhe - Gelingensbedingungen für die Kooperation von Fachlehrenden und Hochschuldidaktiker*innen am Beispiel der fachlichen Schreibkompetenzförderung in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang. Beitrag zur  49. dghd-Jahrestagung "Hochschullehre als Gemeinschaftsaufgabe", 10. bis 13.03.2020 Researchgate

Weisberg, Jan (im Druck): Thesen zur Entwicklung fachlicher Schreibkompetenzen. Tagungsfassung

Nadolny, Anne/Stöhr, Monika/Weisberg (2019): Lernen über Modulgrenzen hinweg – Fachliche Schreibkompetenz in MINT-Fächern systematisch weiterentwickeln. In Meissner,Barbara/ Walter, Claudia/ Zinger, Benjamin/ Haubner, Julia/ Waldherr, Franz (Hrsg.): Tagungsband zum 4. Symposium
zur Hochschullehre in den MINT-Fächern, 119–127. Nürnberg: TH Nürnberg. Volltext

Nadolny, Anne/Stiller, Wilfried Paul/Weisberg, Jan (2018): Versuchsberichte schreiben üben. Ein Praxisbeispiel für die modulintegrierte Förderung von literalen Fachkompetenzen in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang. In: Graßmann, Regina (Hrsg.): Die Schreibübung in Natur- und Ingenieurwissenschaften. Göttingen: Cuvillier Verlag, 115-124. Volltext

Weisberg, Jan (2017): Skizze zur akademischen Fachschreibdidaktik. In: Journal der Schreibberatung 14/2017, 95-101. Researchgate

Weisberg, Jan (2016): Modulintegrierte Schreibdidaktik am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der FH Bielefeld. Konzepte, Strategien, Erfahrungen. In: Graßmann, Regina/ Lichtlein, Michael (Hrsg.): Interdisziplinäre Konzepte - Wissenschaftliches Schreiben in Natur- und Technikwissenschaften. Coburg: Edition Aumann, 72-95. Researchgate